Meine fünf Alben des Jahres 2022

Audio | 18. Dezember 2022

1 / 1
Mein fünf Alben des Jahres 2022

Auch dieses Jahr gibt es wieder gute Musik in Hülle und Fülle, auch dieses Jahr fällt es wieder schwer, daraus die fünf besten Neuerwerbungen auszuwählen. Bei den genannten Alben handelt es sich ausnahmslos um Schallplatten und die Reihenfolge der Nennung ist alphabetisch und keine Wertung.

Tori Amos: Ocean to Ocean

Decca, 2022

Tori Amos: Ocean to Ocean

Das Werk der mittlerweile 58-jährigen Künstlerin kennt Höhen und Tiefen. Ihr 16. Album enthält hingegen ausschließlich starke Kompositionen. Es ist bemerkenswert, was Amos nach solch einer langen Schaffenszeit immer noch an starken, griffigen oder auch tieftraurigen Melodien einfällt. Dazu die gewohnt mal sehr direkten, selbstquälerischen, oft wehmütigen, aber auch hoffnungs- und lebensfrohen, von starker Naturliebe geprägten Texte. All das, auf zwei fehlerfrei gepressten 180 Gramm Scheiben. Einzig antistatische Futter für die Innenhüllen könnte man vermissen.

Eva Cassidy: Songbird

Blix Street Records, 1992/2022

Eva Cassidy: Songbird

Ausnahmsweise einmal keine Neuerscheinung, sondern eine Wiederveröffentlichung: Eva Cassidy’s postume Kollektion »Songbird« ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist da natürlich die Musik der früh verstorbenen Sängerin und Gitarristin. Sie interpretiert zeitgenössische Werke bekannter Kolleginnen und Kollegen, aber auch Traditionals auf sehr eigenständige, sehr emotionale und oft betörende Weise. Zum Anderen überzeugt bei diesem Reissue auch die gelungene Klangauffrischung sowie die perfekte Pressung auf zwei 180 Gramm Scheiben, die mit 45 rpm drehen und die sehr gute Ausgabe von 2014 nochmals deutlich übertreffen. Ein herausragendes Album und ein seltener musikalischer Hochgenuss.

Avishai Cohen: Naked Truth

ECM Records, 2022

Avishai Cohen: Naked Truth

Der israelische Trompeter Avishai Cohen - nicht zu verwechseln, mit dem gleichnamigen Bassisten - legt ein musikalisches Meisterwerk in wirklich fantastischer Klangqualität vor. »Naked Truth« ist eine achtteilige Improvisations-Suite, die das Quartett, bestehend aus Cohen sowie Yonathan Avishai (Piano), Barak Mori (Bass) und Ziv Ravitz (Schlagzeug), mit großer Kreativität darbieten. Mal wähnt man sich in einem Traum, mal in einer Meditation (was auch daran liegen mag, dass sich Cohen von der Musik des indischen Bansuri-Flötenmeisters Hariprasad Chaurasia inspirieren ließ) und mal in einem Gedankenraum voller Erinnerungen. Und am Ende rezitiert Cohen - auf Englisch - das ursprünglich hebräische Gedicht »Depature« von Zelda Scheurson Mishkovsky - berührend!

Beth Hart: A Tribute to Led Zeppelin

Mascot Music, 2022

Beth Hart: A Tribute to Led Zeppelin

Bei aller Liebe zum Audiophilen, es muss auch richtig schön krachen können! Und da ist diese Scheibe genau das Richtige! Beth Hart präsentiert mit ihrer Auswahl von neun Titeln das unglaubliche Spektrum, in dem sich Led Zeppelin bewegten. Die Songs sind nah am Original gespielt, sie werden roh und energiegeladen gespielt. Ein etwas süßliches Orchester stört hier und da. Trotzdem, wenn’s mal wieder laut sein soll, dann macht diese Scheibe enormen Spaß. »Whole Lotta Love« ist der Favorit, die Interpretation des Überhits »Stairway to Heaven« ist das Gegenteil. »A Tribute to Led Zeppelin« kommt auf zwei 33 rpm Scheiben. In meinem Fall ist es oranges Vinyl. Eventuelle Nebengeräusche sind Absicht oder spielen keine Rolle.

Alma Naidu: Alma

Leopard, 2022

Alma Naidu: Alma

Die Münchnerin Alma Naidu ist Tochter eines Dirigenten und einer Opernsängerin. Gemäß ihrer Biografie lernte sie schon mit fünf ihr erstes Instrument, dem Piano folgten Geige und Gitarre sowie mehrere Gesangsausbildungen (Klassisch, Musical, Jazz). Mit 15 begann sie, eigene Musik zu schreiben, studierte in München und in London, hatte Rollen in Musicals (u.a. Gasteig, Staatstheater Augsburg). Als Pop- und Jazzsängerin beeindruckte sie bei der Jazzwoche Burghausen, dem Nublu Festival (New York) und den Leverkusener Jazztagen. Von getragenen Balladen bis zu beschwingtem wechseln die Titel auf ihrem Debütalbum zwischen Jazz, Blues und Songwriter-Pop. Produziert wurde »Alma« vom Schlagzeuger Wolfgang Haffner, der mit Pianist Simon Oslender und Bassist Claus Fischer großartige Begleiter ins Studio holte. Weiterhin zu hören ist auf dem Album unter anderem Nils Landgren (Posaune). Schlussendlich, eine Scheibe zum Verlieben! Einziger Wermutstropfen: Die Pressung auf glasklarem Vinyl ist leider nicht frei von Oberflächengeräuschen, welche auch durch Waschen nicht verschwinden.

Und weil Weihnachten vor der Tür steht …

Es ist immer wieder schön zu erleben, dass sich Künstler dem Thema Weihnachtliche Musik annehmen, ohne dabei in die übliche Einkaufszentren- und Weihnachtsmarktbeschallung á la B. Crosby oder P. Alexander abzustürzen. Für mich rettet in diesem Jahr die Jazzrausch Bigband mit ihrem Album »Alle Jahre wieder« das Niveau dieses Genres. Was die 17-köpfige Band unter ihrem Leader Roman Sladek aus Klassikern wie »Alle Jahre wieder« und »Ihr Kinderlein kommet« macht, ist Bigband-Sound auf höchstem Niveau. Offensichtlich hat die Band nicht in aller Eile ein Weihnachtsalbum zusammengezimmert, Auswahl, Interpretation und Arrangements gegen eine sichere Hand dafür, wie man kaum noch zu hörenden Bigband-Sound wieder das ihm angemessene Gehör verschafft. (Man höre dazu z.B. auch ihr tolles Album »Emergenz«, ebenfalls von 2022.)


Tags


Mehr zum Thema