Eine islamische Reise

Gelesenes | 30. August 2009

Der Nobelpreisträger Naipaul - auf Trinidad geborener Brite indischer Abstammung - bereist Iran, Pakistan, Malaysia und Indonesien, um zu erfahren wie dort die Menschen unter dem Islam leben. Er trifft Ayatollahs, Studenten, Mullahs, Poeten, Lehrer, Journalisten und viele andere Protagonisten ihres Glaubens. (V.S. Naipaul, Verlag List)

Das 1981 veröffentlichte Buch trägt im Original den Titel »Among the Believers. An Islamic Journey« und ist ein Reisebuch der etwas anderen, unbeschaulichen, beunruhigenden Art.

Auf 700 Seiten schildert der Autor eine Reise, die ihn wohl ganz bewusst nicht durch islamische Kernländer wie Ägypten, Saudi-Arabien oder Syrien führt, sondern durch Länder, die im Zuge der weiteren Ausbreitung dieses Glaubens islamisiert wurden, wo sich der Islam in Folge gewaltsamer Eroberungen oder durch Assimilation gegen regionale Kulturen und ursprüngliche Religionen durchgesetzt hat und diese Entwicklung meist unterschwellig bis in die heutige Zeit nachwirkt.

Diese Länder stellen mittlerweile den bei weitem überwiegenden Anteil der moslemischen Weltbevölkerung, mit sehr großer Wachstumsrate und sehr großer Armut, aber auch enormen Wirtschaftswachstum wie in den sog. Tigerstaaten Malaysia und Indonesien.

Naipaul widmet sich in diesem Buch weitgehend den einfachen Menschen. Im Iran, das Anfang der 1980er Jahre gerade die islamische Revolution hinter sich hatte, versucht er im Gespräch mit Studenten und Taxifahrern, Journalisten und Frauen dahinterzukommen, was sie sich von der Revolution erhoffen. Zu jener Zeit herrschte bei vielen Iranern noch die Meinung, man werde auf der Grundlage des Islams eine bessere Gesellschaft aufbauen.

Auch in Pakistan, im Prinzip das islamische Indien, trifft Naipaul auf die Frage, was ein islamischer Staat eigentlich zu sein habe. Aber auch schon auf ein zwiespältiges Verhältnis zum Westen, den man bewundert und doch als fremd empfindet. Daneben erlebt er Zeugnisse individueller Frömmigkeit. Zu einer Zeit, da dieser Begriff noch nicht abgegriffen war, spürt der Autor heraus, daß es den Menschen in den von ihm bereisten Ländern um ihre "Identität" geht.

Ganz besonders in Indonesien und Malaysia, wo mehr als zweihundert Millionen Moslems leben und eine ethnische und religiöse Vielfalt zu beobachten ist. Heute spricht man von "Globalisierung". Schon damals war der Islam in Unruhe, hatten Islamisten die Große Moschee in Mekka vorübergehend besetzt, islamische Studenten im Iran das amerikanische Botschaftspersonal zu Geiseln genommen.

Es lohnt sich dies alles nachzulesen um etwas über die Stimmung der Menschen zu erfahren. Sie ist heute ähnlich, aber schärfer. Je mehr Naipaul seine Gesprächspartner versteht, desto stärker wird dem Skeptiker und entschiedenen Agnostiker freilich deutlich, daß die Religion die Probleme dieser Menschen nicht wirklich lösen kann, daß sie zuvörderst auch Ausdruck ihrer Misere ist. Wie sein literarisches Vorbild Joseph Conrad registriert Naipaul illusionslos Hoffnungen und Leiden seiner islamischen Mitmenschen.