Computernostalgie: Openstep nutzen

IT | 26. Juni 2018

Openstep ist jetzt mit dem damals aktuellsten Stand (Version 4.2, Patch 4) installiert, die Display-Auflösung ist optimal, die Netzwerkanbindung ist eingerichtet, der Zugang ins Internet ist vorhanden, einige Applikationen und die Entwicklertools sind installiert. Was kann man heute mit 25 Jahre alter Software machen?

Alles was jetzt folgt, ist anachronistisch: Im Zeitalter hochauflösender Bild- und Videodateien würde das Speichervolumen mit maximal 2 GB verwalteter Partitionsgröße schnell an seine Grenzen geraten (selbstverständlich kann man mehrere 2 GB Partitionen mounten). NFS-Mounts sind möglich, probiert habe ich sie nicht. So erfolgt der Datenaustausch im LAN nur einseitig, von der modernen in die alte Welt und per FTP. (SFTP für Openstep gab es erst zur Jahrtausendwende, nach Openstep.) Der moderne Farblaser oder der Scanner im LAN wird nicht unterstützt.

Der Webbrowser (hier OmniWeb) kann weder modernes HTML noch CSS oder Javascript interpretieren. Flash-Support gibt es ebenfalls nicht. Google wird nur noch teilweise, Spiegel-Online überhaupt nur noch als Text dargestellt (dafür aber ressourcenschonend, schnell und ohne Werbung!).

Die Tabellenkalkulation ParaSheet und die Textverarbeitung OpenWrite, beides von Lighthouse Design und beides von 1995, erfüllen meine bescheidenen Anforderungen an Bürosoftware zwar völlig, ein Import von Fremdformaten (außer ASCII) oder ein Export z.B. nach PDF ist aber nicht möglich. Audio und Video in älteren Formaten lassen sich zwar abspielen, mangels Support von Audiohardware aber nur ohne Ton. Dies liegt allerdings an der Virtualisierungssoftware Parallels. Mit VMware wird Audiohardware unterstützt.

Die damals sehr modernen Entwicklungstools wirken heute recht angestaubt. Einfache Standards wie Syntaxhighlightning und Zeilennummern im Editor gibt es nicht. Ein schlichtes "Hallo Welt" in C auf der Kommandozeile und ein einfaches Programm mit GUI-Elementen aus dem Interfacebuilder sind aber schnell zu erstellen.

Es konnte natürlich nicht das Ziel sein, ein für den täglichen Gebrauch nutzbares System zu installieren. Ziel war es, nochmals das Look and Feel von damals aufkommen zu lassen. Einige Aspekte sind im Rückblick interessant: Wie teuer Software damals war. Nextstep kostete 1990 ca. $600 (die Developer-Edition das vierfache), die Textverarbeitung OpenWrite kostete $495 und für die Tabellenkalkulation ParaSheet waren $595 zu investieren. Heute ist das alles in diversen Internetarchiven frei verfügbar. Schlussendlich beeindruckt Openstep durch Übersichtlichkeit, logische Funktionalität und sparsamen Umgang mit den Systemressourcen. So begnügt sich Openstep mit 4 MB RAM für seine virtuelle Instanz. Das ist ein Zweitausendstel (!) des installierten RAM auf dem (veralteten) Mac Mini.