Nächstes Jahr in Jerusalem

Gelesenes | 25. Februar 2015

Es heißt, der jüdische Humor, so wie die jüdische Existenz, sei geprägt von sehr viel Selbstironie. Eine Aussage, die sich in André Kaminskis Familiengeschichte durchaus bestätigt. Er beschreibt in diesem Roman die Geschichte seiner Familie in der Zeit vor, während und nach dem 1. Weltkrieg. (André Kaminski, Verlag Suhrkamp)

Diejenigen, die ihm die Geschehnisse erzählt haben, wollten sich wohl in einem guten Licht präsentieren und so kann es sein, dass manches etwas übertrieben ist. Denn »die Wahrheit ist ein wertvolles Gut und daher sollte man sehr sparsam mit ihr umgehen!«

Zum Glück! Ansonsten wäre »Nächstes Jahr in Jerusalem« sicher nicht so ein lesenswerter, urkomischer Roman geworden. Was sich als Familiensaga ausgibt, ist in Wirklichkeit ein Schelmenroman über das Schicksal zweier Familien. Erzählt wird die Geschichte der Familie Rosenbach um den ehemaligen Bayerischen Hoffotografen Leo, der sein Lebtag versucht, auf einen grünen Zweig zu kommen, seiner Frau Jana, die ihn nicht ausstehen kann, seines Bruders Henner, ein spleeniger Erfinder und seiner Tochter Malwa, die ihren Vater mit ihrer vorwitzigen Art mehrmals in tiefe Probleme stürzt. Die zweite Familie sind die Kaminskis aus Warschau. Auch hier machen die elf Söhne ihrem wohlhabenden Vater Jankl mit ihren revolutionären Ideen nichts als Probleme. Das geht so weit, dass Jankl verleugnet, überhaupt Söhne zu haben. Als Herschel Kaminski als Untermieter ins Haus der Rosenbachs einzieht und sich in Malwa verliebt, schließt sich der Kreis. Doch der 1. Weltkrieg bringt wieder neue Unpässlichkeiten.

Die Geschichte der polnisch-jüdischen Familie, von der Herkunft des Protagonisten bis hin zum "glücklichen" Ende, liest sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das Buch sprüht vor Witz in der Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der Geschichte, der Verfolgung der Juden in Polen im Laufe der ersten Jahrzehnte diese Jahrhunderts. Zugleich weiß man um den bitteren Hintergrund, und das Lachen bleibt einem hin und wieder durchaus im Hals stecken. Und so unverfroren, wie der Autor mit Klischees und Vorurteilen gegenüber Juden umgeht, darf wirklich nur ein Jude selbst verfahren. Das Buch ist ein kurzweiliges Vergnügen das (wieder) zu lesen sehr viel Spaß gemacht hat!

»André Kaminskis Roman steht in der besten Tradition jüdischer Erzählkunst, auch in der Mischung von Tragik und Komik, im Überstehen, Überlisten bitterer Schicksalsschläge, in der vorbehaltlosen Selbstironie, im befreienden oder listigen Humor.« (Rheinischer Merkur)