Manhattan Transfer

Gelesenes | 17. August 2021

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Dos Passos: Manhattan Transfer

»Wenn New York einem schal und langweilig erscheint, ist das Schreckliche daran die Tatsache, dass man nirgendwo anders hinkann. New York ist die Spitze, der Gipfel der Welt. Hier können wir immer nur im Kreis laufen wie ein Hamster im Käfig.« (John Dos Passos, Rowohlt)

Manhattan Transfer

Und auf dem Weg an besagte Spitze ist in diesem, dieses Genre begründenden, Großstadtroman praktisch jeder, den man im Verlauf dieser Geschichte kennenlernt.

John Dos Passos Erzählung beginnt zu Anfang des 20. Jahrhunderts und endet nach der Wirtschaftskrise in den 1930ern. Er schildert das Streben seiner Protagonisten, vom kleinen Anwalt zum Eigentümer einer florierenden Kanzlei und Bewerber für hohe politische Ämter, vom einfachen Seemann zum »König der Schmuggler«. Wie in einem Kaleidoskop fügt John Dos Passos in seinem Roman die Schicksale seiner Helden zusammen, spart nicht mit sozialer Kritik an den Verhältnissen, prangert das Kapital an, rückt die Armut ins Scheinwerferlicht und zeichnet hier wie dort das Verloren Sein in allen Farben nach.

Für mich letztlich ein erstaunlich leicht zu lesendes »Jahrhundertbuch«, das mich am Anfang mit seinem schnellen Wechsel von Szenen und Protagonisten überrascht, das aber stets die entstandene Spannung aufrechterhalten kann. Der titelgebende New Yorker Umsteigebahnhof findet übrigens nur kurz Erwähnung und hat keine Bedeutung für die Handlung.

»Manhattan Transfer, erschienen 1925, gilt als Meisterwerk des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Stichworte des modernen Großstadtromans verbinden sich mit dem Buch: die Metropole als Moloch, der zahllose Menschen ansaugt und ausspuckt, die dissonante Polyphonie der Schicksale, die Schrecken von Anonymität und Entfremdung, die krasse Konfrontation von Armut und Reichtum, Elend und Überfluss. Die New-York-Faszination ist bei Dos Passos durchsetzt mit Abscheu, dem Grauen vor dem wimmelnden Getriebe der Riesenstadt, Moderne als Projekt der Enthumanisierung. Siegfried Lenz, der 1980 einen Essay über Manhattan Transfer schrieb, hat den Roman noch als verstörendes Werk gelesen: ein einziger epischer Krankheitsbericht.« (FAZ)


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